Pakistan


Asia Bibi und der verunreinigte Brunnen

Im Juni 2009 hatte Asia Noreen, auch bekannt als Asia Bibi, eine fünfundvierzigjährige Mutter von vier Kindern und Tagelöhnerin auf einer Obstplantage, aus dem Dorfbrunnen von Ittanwali (Provinz Punjab) Wasser geschöpft. Muslimische Frauen im Ort protestierten gegen dieses Wasserschöpfen. Nach der Benutzung durch die Christin sei der Brunnen beziehungsweise das Schöpfgefäß nun haram, das heißt unrein. Asia Bibi erklärte ihnen, wie Jesus in einem solchen Falle wohl ganz anders geurteilt hätte. Sie dachte dabei wohl an die Geschichte von Jesus und der Samaritanerin, wie sie der Evangelist Johannes in Kapitel 4, 5 – 42 überliefert. Jesus spricht die ihm unbekannte Frau bei einer samaritanischen Stadt, offenkundig eine Angehörige eines anderen als seines Glaubens an:

Gib mir zu trinken! (4,7) Da spricht die samaritanische Frau zu ihm: Wie, du bittest mich um etwas zu trinken, der du ein Jude bist und ich eine samaritanische Frau? Denn die Juden haben keine Gemeinschaft mit den Samaritern. (4,9)

Jesus hat keine Bedenken, sich mit der Frau in ein theologisches Gespräch einzulassen, obwohl er noch weitere Gründe hätte, sie zu scheuen. Immerhin ist er völlig allein mit ihr, die dazu noch einen ziemlichen Männerverschleiß hat. Aber er kennt den Begriff unrein nicht.

Das Unglück Asia Bibis war, dass sie die Einstellung Jesu in einen Gegensatz zu der Mohammeds gesetzt haben soll. Sie selbst bestreitet das. Dem Verlangen der aufgebrachten Muslime, sofort ihrem Glauben abzuschwören, widerstand sie. Am 19. Juni 2009 wurde sie verhaftet und saß daraufhin anderthalb Jahre wegen Lästerung Mohammeds im Gefängnis. Ihre Aufseher vergewaltigten die auffallend schöne Frau. Im Prozess sahen ihre Richter die Lästerung als erwiesen an und verurteilten sie am 8. November 2010 zum Tode durch Erhängen. Mann und Kinder mussten nach Drohungen in einen anderen Landesteil zu Verwandten fliehen.

Am 11. Dezember 2010 sprach sich die Pakistanische Allianz für Minoritäten in Islamabad gegen den zunehmenden Missbrauch der Blasphemie-Gesetze aus. Geleitet wurde die Konferenz vom Staatsminister für religiöse Minderheiten, Shahbaz Bhatti, einem Christen, dem einzigen in der pakistanischen Regierung. In einer Eingabe an den pakistanischen Ministerpräsidenten forderte die Konferenz die Abschaffung dieser Gesetze, die zwar in absoluten Zahlen überwiegend gegen die 95 % der Pakistani muslimischen Glaubens und 2 % Hindus angewandt werden, doch der Anteil der danach verurteilten Christen ist weitaus höher als ihr Bevölkerungsanteil von nur 2 %. Das heißt, die religiösen Minderheiten des Landes sind besonders häufig Opfer dieser Gesetze, die als Strafe nur lebenslängliche Haft oder die Todesstrafe kennen.

Die Allianz für Minoritäten forderten die Bestrafung eines Predigers der Moschee in Peshavar, Yusuf Quereshi, der öffentlich für die Ermordung der noch nicht Hingerichteten umgerechnet 4870 € ausgesetzt hatte. Es kam anders.

Anlässlich des Freitagsgebets am 24. Dezember 2010 fanden in Pakistan Massenproteste fanatisierter Islamisten zu Ehren des Propheten Mohammed statt. Der Mob verlangte ultimativ die Hinrichtung der Lästererin Asia Bibi und die Unantastbarkeit der Blasphemie-Gesetze.

Die willkürlichen Blasphemie-Gesetze hatte auch der Gouverneur der Provinz Punjab, Salman Taseer, der Asia Bibi mehrfach im Gefängnis besucht hatte, kritisiert. Am 3. Januar 2011 starb er unter den zwanzig Kugeln; mit denen ihn sein Leibwächter durchsiebt hatte. Der Mörder, Mumtaz Quadri, wurde von Islamisten wie ein Popstar gefeiert, Rechtsanwälte rissen sich darum, ihn kostenlos verteidigen zu dürfen. Auf seinem Weg zum Gericht wurden zum Zeichen der Verehrung Rosenblüten auf seinen Weg gestreut. Zwei islamische Geistliche, die den Täter zu seinem Mord angestachelt hatte, wurden nach ihrer Festnahme am 21. Januar wieder auf freien Fuß gesetzt.

In Pakistan werden so die Grenzen zwischen Recht und Unrecht verwischt. Jeder, ob Christ oder Moslem, der sich gegen die religiöse Minderheiten bedrohenden Blasphemie-Gesetze ausspricht, läuft Gefahr, selbst wegen Beleidigung des Islam angeklagt oder einfach umgebracht zu werden.

Nur zwei Monate nach dem Mord an dem Moslem Salman Taseer, am 2. März 2011, fiel der oben erwähnte Staatsminister für religiöse Minderheiten, der katholische Christ Shabbaz Bhatti, in Islamabad ebenfalls einem Mordanschlag zum Opfer. Die Taliban übernahmen die Verantwortung für die Tat. – Ministerpräsident Yousuf Raza Gilani ernannte umgehend den Bruder des Ermordeten, Paul Bhatti, zu seinem Sonderberater, offenbar eine Geste der Wiedergutmachung an der Familie.

Es ist leicht vorstellbar, wie wenig das Leben einfacher Christen in diesem Staate zählt, der zwar über ein funktionierendes Rechtssystem und unabhängige Richter verfügt, wo aber fanatische Prediger und fanatisierte Massen Freigeprochene vor den Toren des Gerichtsgebäudes einfach erschießen. So erging es dem pakistanischen Pfarrer Rashid Emmanuel und seinem Bruder Sajid, die mitsamt dem sie aus dem Gericht begleitenden Polizisten am 19. Juli 2010 vor dem Gerichtsgebäude aus einem muslimischen Mob heraus von maskierten Attentätern erschossen wurden, nachdem der Richter keine Schuld an ihnen hatte feststellen können.

So muss Asia Bibi auch nach ihrer Begnadigung durch den pakisatanischen Staatspräsidenten Asif Ali Zardari am 20. November 2010 weiter um ihr Leben fürchten. Zu ihrem eigenen Schutz blieb sie weiter in staatlichem Gewahrsam. Es erscheint fraglich, ob sie und ihre Familie in Pakistan je wieder ein normales Leben werden führen können.

Quellen: Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) und Christian Solidarity International (CSI)




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